Wo sich Realität, Spiel und Fiktion treffen und vermischen, liegt Sumerland, eine Welt, die sich hinter unserer alltäglichen Scheinwelt verbirgt. Dorthin möchte ich euch heute führen.
Im Olympiapark München können Besucher mithilfe einer App magische Symbole aufspüren, die an verschiedenen Orten im Parkgelände versteckt sind. Eine Karte offenbart den Forschern die versteckten Orte, an denen Symbole angebracht wurden. Diese müssen nach dem Aufspüren mit der Handykamera betrachten werden, wodurch sich ein Tor in eine andere Realität öffnet.
Die Geschichte der Romane mit den Titeln Sumerland: Prinzessin Serisada und Sumerland: Prinz Zazamael ist nahtlos mit diesem Spiel verwoben. Ich habe mich in den letzten Wochen dem ersten Band voll und ganz gewidmet und möchte euch etwas mehr über die fantastische Welt Sumerland erzählen.
Das Sumerland
Wir leben in einer Welt, die nicht real, sondern bloß ein Schein, eine Illusion ist. In Wirklichkeit irren wir alle in der riesigen babylonischen Turmstadt umher. Wir werden von einem Zentralcomputer in unserer Scheinwelt gefangen gehalten und nur wenige Eingeweihte kennen die Wirklichkeit dahinter. In der Trichterstadt Waylhaghiri ist alles auf Fortschritt ausgelegt. Jeder versucht der Beste in etwas zu sein, um immer weiter hochzusteigen. Denn während sich am unteren Ende der Stadt die Slums befinden, versprechen die oberen Stockwerke Fortschritt und Reichtum. In der Mitte befindet sich der silberne See, der Wachstum bringen, aber auch zur vollständigen Vernichtung führen kann. Denn er wird gebraucht, um das große Ziel zu erreichen: Fortschritt aus Fortschritt zu generieren. Wie ein Perpetuum mobile. Dies soll durch die große Fusion geschaffen werden. Jedoch scheiterte jeder Versuch bisher und brachte Tod und Verderben mit sich. Waylhaghri ist umgeben von dem wilden Sumerland. Diese Wildnis steht im deutlichen Kontrast zu der zivilisierten und auf Wachstum getrimmten Stadt. Dort leben Tiermenschen im Einklang mit der Natur, die diese auch mit allen Mitteln gegen die Armee von Waylhaghri zu verteidigen wissen.
Mir haben die Darstellungen der beiden völlig gegensätzlichen Gebiete extrem gut gefallen. Die Beschreibungen waren detailliert und schafften so, ein komplexes Bild der Welten in meinem Kopf zu erschaffen. Gerade so Details, wie das im Sumerland herumliegende Spielzeug, welches zuerst scheinbar keine Bedeutung hat, jedoch eine beklemmende Atmosphäre erzeugt, haben mir sehr gut gefallen. Das gleiche gilt auch für die Plätze, Märkte und Vororte von Waylhaghri, von denen man sehr schnell ein Bild im Kopf hat.
Serisada und Zazamel
Abgeschieden in den Ruinen eines Königreiches lebt die Prinzessin Serisada, welche auch die titelgebende Figur des ersten Bandes ist. Eigentlich macht die kindliche Prinzessin den ganzen Tag nichts anderes, als die labyrinthischen Gänge ihres Schlosses zu erkunden, zu spielen und sich um nichts zu kümmern. Als die Bediensteten jedoch zu ihr herantreten und sie auf eine unglaubliche Mission schicken, von der das Leben des Sumerlandes abhängt, macht sich das junge Mädchen auf den Weg nach Waylhaghris. Dort soll sie eine Revolution anzetteln, doch das ist gar nicht so einfach.
Über diese Stadt herrscht der junge Prinz Zazamel. Ein ebenso kindlicher Herrscher, der sich wenig um die Belange seiner Stadt und dessen Bevölkerung sorgt. Stattdessen sucht er den ominösen Wilden Wein, der sich angeblich im Herzen des Sumerlandes befindet. Zazamel ist fest davon überzeugt, dass die Große Fusion nur mit dem Wilden Wein möglich ist. Dafür dringt er immer tiefer in das Sumerland ein und ist dabei alles zu riskieren.
Diese beiden Figuren haben mir ebenfalls überaus gefallen, da sie eher kindliche, manchmal aber doch sehr erwachsene Charakterzüge haben. Sie sind beide weder vollkommen gut, noch vollkommen böse, sondern haben Eigenschaften, die einem missfallen oder die man an ihnen bewundert. Außerdem lebt das Buch von ihren Abenteuern. Beide gehen auf die Reise in eine ihnen völlig fremde Welt und verlieren sich auch in gewisser Weise darin. Das wird so spannend erzählt, dass man mit ihnen mitfiebert. Dieser Teil der Geschichte hat mich durchgehend gefesselt und konnte wirklich überzeugen.
Unsere Welt
Die eigentliche Geschichte des Buches spielt jedoch nicht im Sumerland, sondern in unserer Wirklichkeit. Dort begleitet man als Leser eine allein lebende Frau mittleren Alters, die sich ihr Geld in der Werbebranche verdient. Das kann sie besonders gut, da sie eine Halbeingeweihte ist. Sie kennt zwar die Wahrheit hinter unserer Realität, jedoch gelang es ihr nicht, alles zu erfahren. Dies ist nur einigen wenigen Auserwählten möglich. Doch kann sie jederzeit in das Sumerland blicken, die Erlebnisse von Prinzessin Serisada und Prinz Zazamel verfolgen und die Leser daran teilhaben lassen. Obwohl die Sicht in dieser Realität vollkommen aus ihrer Ich-Perspektive geschrieben wurde, erfahren wir nur sehr wenig über die Protagonistin. Außer, dass sie Probleme in ihren Berufsleben hat, die große Liebe sucht und nicht mit ihrem Aussehen zufrieden ist, weiß man eigentlich nichts über sie. Das ist etwas frustrierend, gerade da sie eigentlich von Beginn an unglaublich unsympathisch herüberkommt. Sie benutzt Menschen und manipuliert sie. Gleichzeitig jammert sie jedoch die ganze Zeit und beschwert sich über alles. Dadurch wird ihr Teil der Geschichte leider völlig uninteressant, was das Lesen, zumindest für mich, deutlich erschwert hat. Das einzig interessante an dieser Figur ist, dass sie sich mit ihrem verstorbenen Freund und wie sie selbst sagt, persönlichen Feind unterhält. Das gibt ihr eine Tiefe, der den Charakter jedoch nicht retten kann. Das ist sehr schade. Als dann ein kleines Mädchen in die Geschichte mit hineingeflochten wird, wurde es deutlich besser und auch der Lesefluss hat wieder deutlich zugenommen. Ihre Geschichte ist spannender, da sie auch ein Geheimnis und ein Rätsel mit sich bringt, dessen Lösung man unbedingt erfahren möchte.
Schreibstil
Ich selbst habe mir etwas schwer getan, in das Buch hinein zu kommen. Dies lag zum einen an dem etwas schwierigen Schreibstil, an den man sich erst einmal gewöhnen muss. Der Kontrast zwischen der realen Welt des Sumerlandes und unserer Scheinwelt ist doch teilweise so drastisch, dass man aus dem Lesefluss förmlich herausgerissen wird. Zwar gewöhnt man sich daran, genauso wie man sich an die kühle und distanzierte Art des Ich-Erzählers gewöhnt, richtig schön zu lesen ist gerade dieser Part allerdings nicht. Damit will ich nicht sagen, dass der Schreibstil schlecht wäre, die Abenteuer von Serisada und Zazamel sind unglaublich spannend und gut geschrieben. Obwohl ich natürlich weiß, dass beide Teile zu diesem Roman gehören, hätte ich viel lieber mehr über das Sumerland gelesen.
Sumerland Band 1: Prinzessin Serisada
Johannes Ulbricht
Verlag: Panini
Erscheinungstermin: 22. August 2016
Seiten: 352
Preis: 14,99